Aufbruch in eine neue Ära!
Ein Blick zurück


In den Straßen von Sardinien haben wir vor 14 Jahren begonnen, Tierelend zu lindern. Und genau in diesen Straßen, inmitten der Menschen und Gegebenheiten, haben wir gelernt, dass wir dort nicht nur immer neues Elend vorfinden, sondern auch die Möglichkeiten dieses zu verhindern – wir haben gelernt, dass man Tierelend da bekämpfen muss, wo es entsteht, wenn man nachhaltigen Tierschutz betreiben will!
So entstand für respekTiere und seinen Partnerverein arca sarda ein Aktionsradius von über 40 Quadratkilometern, in dem wir uns täglich um die unterschiedlichsten Hunde- und Katzennotfälle und Problematiken kümmerten. Ein Einsatzgebiet, so viel größer als jedes Tierheim und gleichermaßen anspruchsvoller und schwieriger, aber genau das wollten wir: Weil wir nur so mit den Menschen in Kontakt treten konnten, die dieses Tierelend verursachen, und nur so hoffen konnten, irgendwann in ihren Köpfen etwas zu verändern.

Dennoch wurden wir schon früh auch mit der Notwendigkeit eines festen Standorts konfrontiert, um unsere Aktivitäten koordinieren, Futter und andere Materialien lagern und vor allem – unsere Notfälle unterbringen und medizinisch versorgen zu können. 
Diesen Anforderungen trugen wir schon recht früh Rechnung durch die Inbetriebnahme einer kleinen Auffangstation, der Casetta. Dieses ehemalige Stallgebäude auf dem Privatgrundstück unseres Tierarztes schenkte uns kostenlos die Möglichkeit, unsere Arbeit sinnvoll zu ergänzen und vorübergehend notleidende Tiere zur Pflege aufzunehmen.

Doch uns war von Anfang an klar, dass dies keine Lösung für die Ewigkeit sein konnte. Zu klein und marode waren die Räumlichkeiten, zu sehr waren wir darauf angewiesen, dass unser Tierarzt nicht irgendwann wieder selbst Bedarf an diesen Gebäuden haben würde. So haben wir nach der Gründung von arca sarda schon vor Jahren Anträge bei der Gemeindeverwaltung gestellt und um ein Grundstück gebeten, auf dem wir unsere Vereinsaktivitäten praktizieren können. Leider beträgt jedoch auf Sardinien die Amtsperiode einer Gemeindeverwaltung immer nur 4 Jahre, und solche Anträge ziehen sich wie Kaugummi. So scheiterten wir immer wieder daran, dass Absprachen und Zusagen nicht mehr rechtzeitig zu Papier gebracht wurden, bevor der politische Alltag wieder Einkehr hielt und erneute Wahlen anstanden. Dennoch wollten wir nicht den einfacheren Weg des Privaterwerbs gehen, da es uns von existenzieller Wichtigkeit erschien, mit einem solchen Schritt die Politik in die Pflicht zu nehmen und gleichzeitig der Öffentlichkeit die Unterstützung von Seiten der Behörden und politischen Institutionen zu signalisieren.

So wurde die Casetta unseren Anforderungen entsprechend von Jahr zu Jahr erweitert, bis wir im Jahr 2009 erstmalig die Möglichkeit bekamen, einen zweiten Standort zusätzlich zu nutzen. Ein von der Region Sardinien verabschiedetes Regionalprogramm zur Bekämpfung des Streunertums bescherte uns als Tierschutzverein arca sarda nicht nur eine politisch offiziell anerkannte Kooperation mit der Gemeinde von Santa Teresa, sondern auch die Nutzungsrechte für den stillgelegten Schlachthof der Kleinstadt, den mattatoio. Auch wenn wir uns bis heute nicht an die noch komplett vorhandene Maschinerie im Gebäude gewöhnt haben, so hat dieses marode Gemäuer in den letzten 12 Monaten so vielen Tieren einen Start in ein besseres Leben ermöglicht, dass wir uns unsere Arbeit ohne diese Station nicht mehr vorstellen können. Müssen wir auch nicht, denn das Regionalprogramm sieht vor, dass beim Entzug dieser Räumlichkeiten dem Verein eine gleichwertige Alternative zur Verfügung gestellt werden muss und als vor kurzem bekannt wurde, dass der mattatoio Ende des Jahres abgerissen wird, überschlugen sich unsere Gedanken, Hoffnungen, aber auch Ängste.


Wie soll ein Rifugio genutzt werden?


Wir würden also ein neues Gelände bekommen aber WAS konkret sollte darauf passieren? Einig waren wir uns sofort darüber, was wir nicht wollten: ein Massenlager für Tiere, ohne jeglichen Plan für die Zukunft. Beileibe nicht so schnell einig waren wir uns aber darüber, was wir wollten, denn um zu einem Konsens zu kommen, der auch auf lange Sicht tragfähig ist, gilt es ein Dutzend Menschen bei arca sarda zu hören und ihre Erfahrungen und Ängste zu respektieren. Ebenso gilt es, den Verein respekTiere mit all seinen aktiven Mitstreitern, Spendern und Mitgliedern zu überzeugen und teilhaben zu lassen.
Allein die Meinungen der sardischen Kollegen waren schon immer so heterogen wie die Persönlichkeiten selbst. Während die einen am liebsten alle bestehenden Katzenkolonien mit insgesamt mindestens 200 Katzen sofort in ein zentrales Gelände umgesiedelt hätten, war es für die anderen schon immer absolut indiskutabel, erwachsene Katzen umzusiedeln. Der ursprüngliche Traum eines Katzenparks, in dem alle Katzen völlig frei und gleichermaßen beschützt vor den Gefahren der Welt leben könnten, wurde überschattet von der Angst, letztlich doch ein Katzengefängnis zu errichten und eigentlich war allen klar, dass unser Anspruch an die Beschaffenheit und Größe so eines Parks völlig unrealistisch war. Dennoch gibt es keinen Tag, an dem nicht jeder Helfer auf Sardinien mit der Situation konfrontiert und aufgefordert wird, Katzen aus Wohnsiedlungen zu entfernen, damit sie nicht vergiftet werden. Diese Drohungen sind allgegenwärtig genauso wie die traurigen Schicksale verschwundener oder totgefahrener Katzen. Allgegenwärtig ist auch das Problem, wie man die täglichen Fahrten zu den unzähligen Futterplätzen weiterhin bezahlen soll; wie die Helfer finden, die bereit sind, Katzen an 20 verschiedenen Stellen zu betreuen? All diese Argumente sprechen für die Versammlung aller Katzen auf einem Gelände – aber es spricht auch so viel dagegen.
Bei den Hunden ist die Situation allein schon durch die Gesetzeslage ganz anders, aber nicht weniger schwierig, im Gegenteil. Die Bilder von eingesperrten Hunden haben sich in unseren Köpfen eingebrannt und nichts wäre uns lieber, als kastrierte und gesunde Straßenhunde in Freiheit leben zu lassen, doch das Gesetz verbietet dies. Gleichzeitig wissen wir, dass wir die Auflagen seitens der Veterinärbehörden für ein offizielles Tierheim für Hunde, ein sog. canile, niemals erfüllen werden. Denn wir möchten keine Boxen, keine Einzelhaltung – wir möchten unsere Hunde nach Tierschutzgesichtspunkten halten und pflegen, ohne dabei gesetzlichen Auflagen genügen zu müssen, die letztlich nur Gelder betreffen, die meistens sowieso nicht fließen.


Wem soll dieses Gelände Platz bieten?

Wir werden weiterhin verhindern, dass ein Streunerhund, von dem wir erfahren, ins canile Europa gebracht wird. Die Gemeinde von Santa Teresa und alle weiteren Institutionen, mit denen wir meist durch guten persönlichen Kontakt kooperieren, werden dort keine Hunde abgeben, sondern sie, wie in den letzten Jahren auch, zu uns bringen.
Die Hunde, die bereits im canile in den langen Jahren zuvor untergebracht sind (aus unserer Gegend sind dies fünf Tiere), werden wir nach der Inbetriebnahme unseres Geländes sofort abholen. Diese Hunde sind durch die Hölle gegangen und höchstgradig traumatisiert, haben Todesangst vor jedem Menschen und kennen bis auf die wenigen Monate ihres Welpenlebens, die sie in Freiheit verbringen durften, nur die dunklen Zwingerboxen. Diesen Tieren möchten wir ein kleines Paradies als Wiedergutmachung schaffen: ein großes Gehege, wo sie Luft und Sonne und Regen und Wind spüren können und die Liebe der Menschen kennenlernen werden. Für sie wird ein Gehege geplant, das größte im Hundebereich, wo sie den Rest ihres Lebens in Frieden leben dürfen, ebenso wie Extremfälle, die nicht mehr vermittelbar sind wie aktuell unser geliebter Sciumi. Auch er wird endlich nach langer, viel zu langer Zeit im mattatoio wieder Sandboden unter seinen Pfoten spüren und am Leben auf der anderen Seite der Mauer teilhaben dürfen.
Alle anderen Hunde sollen nur für kurze Zeit bei uns bleiben, bis sie dann gut vermittelt werden.
Bei den Katzen wird es sicherlich eine Gratwanderung zwischen theoretischer Planung und praktischer Umsetzung werden, die vor Ort jedes Mal von neuem eine Entscheidung erfordert und der schwerste Job von allen sein wird.


Was sind die Fakten?


Buon Camino – an der kleinen Wallfahrtskirche, deren Namen die ganze Gegend trägt, lebt eine unserer größten Katzenkolonien. Zudem war es zu Beginn unserer Arbeit einer der beliebtesten Plätze, um Hunde auszusetzen. Und wie das Schicksal so spielt: Genau hier soll zukünftig der Sitz von arca sarda sein!
Im August führte ein Vertreter der Gemeinde mit Franca, Vereinspräsidentin von arca sarda und Vizepräsidentin Mariangela eine Besichtigung durch. Uns wurde ein Gelände gezeigt, ca. 10.000 qm groß, teils ohne Vegetation mit nichts als steinhartem Sandboden, teils mit dichtem Schilfbestand oder dornigem Gestrüpp, welches den Großteil der Fläche überwuchert. Das Grundstück , welches mit einer Länge von ca. 150 m und einer Breite von 50-90 m zwischen dem Sportstadion von Santa Teresa und der kleinen Zufahrtsstraße zur Wallfahrtskirche eingebettet liegt, ist auf einer Seite durch den Zaun des Sportstadiums bereits eingezäunt, an den anderen drei Seiten befinden sich lediglich kleine, marode Mäuerchen und Schilf.
Eines war uns allen von vornherein klar: Entweder wir mussten dieses Grundstück nehmen oder es würde keines geben. Bei den Erfahrungen und der Vorgeschichte lag auf der Hand, dass für Diskussionen um ggf. andere Standorte überhaupt kein Platz war. Also sagten wir natürlich zu.
Mit der Grundstücksüberlassung kam die Zusage, dass die Gemeinde einmalig 15.000 Euro zur Verfügung stellen würde, um zum einen mit einer Planierraupe das Gelände zu ebnen und zugänglich zu machen, der Rest würde in die äußere Umzäunung investiert.
Das Grundstück selbst soll per Vertrag kostenlos für mindestens 10 Jahre dem Verein arca sarda überlassen werden.


Wie geht es weiter?


Mittlerweile steht fest, dass die von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Gelder für die Bodenarbeiten und die Zaunarbeiten reichen, aber nicht für mehr. Unsere Hoffnung, von Deutschland aus Zäune zu organisieren und den erwirkten Preisvorteil ggf. für andere Dinge ausgeben zu können, erwies sich leider als unrealistisch. Die Gemeinde hatte in kürzester Zeit eigene Firmen beauftragt und wir hatten hier zu keiner Zeit irgendeine Möglichkeit einzuwirken.
Diese Möglichkeit wird nun schon fast zur Pflicht, wenn es um den großen Rest aller Arbeiten und Einrichtungen geht.
Sobald das Gelände nun anständig vermessen ist, muss es einen Plan geben, auf dem wir die Fläche sinnvoll einteilen, um all unseren Anforderungen gerecht werden zu können. Das Gelände wird selbstverständlich in einen Katzenpart und Hundepart getrennt, innerhalb dieser beiden grundverschiedenen Bereiche werden die hygienischen und organisatorischen Bedürfnisse natürlich nochmals mehrere Kleingehege erfordern. Die Grundidee ist, ca. 2/3 des Geländes für die Katzen zu verwenden und 1/3 für die Hunde. Dies, weil es für die Hunde lediglich um zeitlich befristeten Aufenthalt geht (bis auf wenige Ausnahmen), für die Katzen aber um einen lebenslangen Wohnort.
Die Idee eines Katzenparks möchten wir nach wie vor verwirklichen, hierzu haben die Gemeinde sowie die Firma, welche die Planierarbeiten ausführt, schon genaue Anweisungen erhalten, welche Büsche und Bäume unbedingt belassen werden müssen. Abgesehen von den notwendigen räumlichen Abtrennungen für Katzen aus hygienischen bzw. krankheitsbedingten Gründen soll der Rest des Geländes naturbelassen bleiben und, mit Futterstellen und vielen einzelnen Häuschen (Typ Gartenhäuschen) aufgelockert, einen sehr natürlichen Lebensraum für die Katzen abbilden. Die Hunde werden sich fast alle lediglich bis zu ihrer Vermittlung in diesem Gelände aufhalten, und auch hier ist neben den notwendigen Trennungen viel natürlicher Lebensraum mit Holzhäusern und Schattendächern sowie neu zu pflanzenden Bäumen, vorgesehen. Im Vergleich zu ihrer derzeitigen Unterbringung in der casetta oder dem Schlachthof wird es für die Hunde in jedem Fall eine riesige Verbesserung sein.
Um  allem professionell und vor allem auch medizinisch gerecht werden zu können, kommen neben den verschiedenen Räumlichkeiten für die Unterbringung von Katzen und Hunden auch hohe Investitionskosten auf uns zu, beispielsweise für Quarantäneboxen, Container als Behandlungs- und Pflegestationen, Lagermöglichkeiten für einige Tonnen Futter und Equipment wie Fallen, Boxen, Käfige. Ein sehnlicher Wunsch ist es auch, eine winzige Wohnmöglichkeit für eventuelle Helfer aus Deutschland zu schaffen, um hier noch mehr Präsenz und Unterstützung zeigen zu können und last not least soll so ein Ort natürlich auch Platz für unsere künftigen und großen Kastrationsaktionen werden.
Schon heute können wir sagen, dass wir überall mit mobilen Produkten arbeiten müssen und keine gemauerten Behausungen planen dürfen, da auf diesem Gelände Bebauung verboten ist. Eine Detailplanung können wir aber natürlich erst vorlegen, wenn alles genau vermessen ist.
 

Unsere Ängste


Unsere Freude über diese einmalige Chance wird auch von Angst überschattet. Woher soll all das Geld für die Investitionen kommen? Bereits in drei Monaten sollten wir die Tiere umsiedeln, aber wo sollen sie leben, wenn es keine internen Zaunanlagen gibt, keine Container, keine Hütten? Beinahe noch schlimmer ist die Angst, dass dieser Ort neue Tiere anziehen wird bzw. die Menschen quasi „auffordert“, neue Tiere auszusetzen. Dass wir täglich kistenweise Tiere vor dem Tor finden und unser Traum von einem wunderschönen Gelände schnell zum Alptraum eines Lagers wird. Wir wissen nur zu gut, dass auch die Lida vor 10 Jahren den Traum eines riesigen Rifugios träumte, der in kürzester Zeit von der Realität eingeholt wurde: vom täglichen Kampf ums Überleben, hoffnungslos überfüllt, finanziell ständig am Abgrund. Was sollte bei uns anders laufen?
Wir denken, dass unsere gesamte Vorgeschichte – eben die Geschichte, die wir Ihnen hier nun ausführlich geschildert haben – und unsere vergangenen 14 Jahre einfach anders sind. Wir wissen es nicht, aber wir hoffen es. Wir haben 14 Jahre lang eine Organisation aufgebaut, die präventiv so großartige Ergebnisse zeigt und durch eine unglaublich tolle Vermittlung in Deutschland so gut unterstützt wird, dass unsere Ausgangsposition doch ganz anders ist. Warum sollten auf einmal kistenweise Hunde oder Katzen vor den Toren stehen, wo wir seit 14 langen Jahren sowieso los fahren und Hunde abholen oder Katzen kastrieren und medizinische Hilfe bezahlen? All dies leisten wir schon in engster Zusammenarbeit mit den Einheimischen. Also wagen wir den Schritt und beginnen eine neue Ära – eine, die weiterhin auf den Grundfesten unserer alten Überzeugungen und unserer Philosophie steht, die aber zusätzlich durch diese großartige Möglichkeit abgerundet wird.

Liebe Freunde,
diese Gedanken und Ängste und Wünsche und Momentaufnahmen werden sich in den nächsten Wochen ständig konkretisieren, teils auch ändern, teils in Luft auflösen. Es werden neue hinzukommen und wir werden spontan nach bestem Wissen und Gewissen auf unzählige Faktoren reagieren müssen, die wir nicht selbst bestimmen können. Aber wir sind voll guten Mutes, dass wir die Herausforderungen meistern werden – wir werden es schaffen dank unserer Erfahrung und der tief in uns allen verankerten Liebe zu unseren Mitgeschöpfen, vor allem aber weil wir wissen, dass wir nicht alleine sein werden.
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