Enja (01.10.2012)

Enjas Happy End

Es ist nun schon anderthalb Jahre her, dass du zu uns auf die Pflegestelle kamst. Voller Angst, völlig verstört und traumatisiert. Und ich wusste nicht so recht, was ich tun konnte. Du warst wild geboren und hattest in deiner Prägephase keinen Kontakt zu Menschen, oder wenn, dann nur schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht. Du wurdest eingefangen, weil du sonst wahrscheinlich getötet worden wärst. Du wurdest gechippt und geimpft, von deiner Mama getrennt und in den Flieger nach Deutschland gesteckt, das waren alles traumatisierende Erlebnisse. Auf der ersten Pflegestelle warst du noch mit deiner Schwester Emma zusammen, aber als deine Pflegerin erkrankte, konnte sie es nicht mehr leisten zwei Angsthunde zu betreuen und so kamst du zu mir. Jetzt hattest du auch noch deine Schwester verloren und noch eine lange Autofahrt hinter dich gebracht. Du hast dich erst mal unter der Couch versteckt und bist nur zum Fressen heimlich raus gekommen. Freiwillig ließest du dich nicht anfassen, du hattest immer noch dein Geschirr an und wenn man dich anfasste, dann warst du vor Angst wie erstarrt und Urin und Kot liefen aus dir heraus. Ein Bild des Jammers. Stundenlang hab ich mich in deiner Nähe aufgehalten, mit dir gesprochen und mit meinen Hunden gespielt. Ich hab dir Decken unter die Couch gelegt, damit du es warm hattest und dir immer wieder Leckerchen hingelegt. Mit der Zeit wurdest du etwas mutiger. Du fasstest Vertrauen zu meinen Hunden und hast sie auch mal in den Garten begleitet. Irgendwann hab ich dich dann auch mal unter der Couch herausgeholt, dich auf meinen Bauch gelegt und mit einer Decke zugedeckt. Und irgendwann hast du dich in dieser Höhle entspannt und bist auch eingeschlafen. Von da an hast du Stück für Stück Vertrauen zu mir aufgebaut und meine Hunde haben mir sehr dabei geholfen, denn nur über sie konnte ich dich freiwillig in meine Nähe bekommen, denn alleine wolltest du ja auch nicht mehr sein. Nach einem halben Jahr konnte ich dich anfassen, dir ein Geschirr anziehen etc., das Autofahren war aber noch lange ein Horror für dich, bei dem du dich ständig übergeben musstest und alles vollgepieselt hast. Die Fahrten zum Tierarzt, der dich gegen Demodex-Milben behandelt hat, waren schrecklich für dich. Wir nannten dich nun auch liebevoll „Stinkie“, da du ja immer noch  ständig nach Urin gerochen hast, denn eine unbedachte Bewegung, ein zu schneller Schritt in deine Richtung oder ein unbekannter Gegenstand in meiner Hand hat dich immer noch vor Angst pinkeln lassen. Langsam hast du aber auch zu den Menschen in deiner direkten Umgebung Vertrauen gefasst und es zeigte sich, dass du ein absolut verschmuster Hund bist, der seine Menschen liebt und den ständigen Kontakt sucht. Du schläfst seit dieser Zeit bei mir im Bett und musst auch bei 30°C unter der Decke Körperkontakt haben. Wenn jedoch Besuch für dich kam, dann konntest du den Interessenten nicht deine tollen Seiten zeigen. Sie waren für dich bedrohlich und anfangs hast du dich versteckt und bist geflüchtet, dann hast du Alarm geschlagen, sie verbellt und sogar versucht, sie zu verjagen. Als du dann noch positiv auf Hepatozoonose getestet wurdest wurden die Interessenten noch spärlicher. Und die Richtigen waren nie für dich dabei. Du hast dich allerdings weiter entwickelt. Du kannst einige Kommandos, kommst auf Zuruf, läufst recht gut an der Leine und verfällst auch nicht mehr in totale Panik, wenn wir auf dem Spaziergang Leute treffen. Du lässt dich zwar von ihnen nicht anfassen, aber mit etwas Abstand wartest du geduldig, bis ein Gespräch beendet ist und manchmal schnupperst du sogar an jemandem oder nimmst gar ein Leckerchen aus seiner Hand. Du kommst inzwischen in deiner gewohnten Umgebung und mit deinen vertrauten Personen gut zurecht und erträgst es auch mal, dass Besuch kommt. Die Nachbarn verbellst du immer noch täglich, denn du nimmst deine Wachhund Aufgabe sehr ernst und passt genau auf, wer sich in deinem Revier aufhält, oder ob sich etwas verändert hat. Leider müssen wir dich momentan bei Spaziergängen wieder anleinen, obwohl du normalerweise gut hörst, denn außer einem ordentlichen Jagdtrieb zeigst du nun auch die Tendenz uns zu beschützen. Und wenn ein für dich so gefährlicher Jogger schnell auf uns zu rennt und auch nicht stehen bleibt wenn dein Frauchen „Stopp“ ruft und du ihn lautstark warnst, dann stoppst du ihn auf deine Weise, indem du versuchst ihn festzuhalten. Trotzdem bist du ein prima Hund, der sehr deutlich in seiner Sprache ist, ein grundgutes Wesen hat, sozial verträglich ist und mir nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen toll bei der Erziehung von Welpen hilft. Du erzählst, singst und tanzt mit mir, bringst mich immer wieder zum Lachen und spielst toll mit den Hunden. Du traust dich immer mehr und wir lernen täglich voneinander. Du zeigst mir meine und deine Grenzen auf und es erfreut mich umso mehr, wenn du, mir zuliebe, Dinge lernst, die du wohl eher für überflüssig hältst. Inzwischen kannst du sogar einige Stunden mit deinen Kumpels ohne mich zu Hause bleiben ohne Unmengen an Kissen, Schuhen, etc. zu zerstören. Ich akzeptiere dich wie du bist, ich weiß, dass du wahrscheinlich nie entspannt mit in die Stadt oder in eine Gaststätte gehen kannst und dass du nicht alleine mit einer anderen Person mit gehst, dass du Fremde nie freudig begrüßen wirst und immer lautstark auf uns aufpasst. Sei es drum. Du bist ein toller Hund und du bist mein Hund! Meine liebe Enja, wir bleiben nun für immer zusammen.