Lucia

  

Liebe Lucia,

als ich das erste Mal von dir hörte, da war ich noch zu sehr in der Trauerarbeit zu meiner Seelenhündin Polly und wehrte mich mit Händen und Füßen dagegen, dir bei mir einen Endplatz zu geben. Ich litt noch so unter meiner Polly. Aber Dank der MitarbeiterInnen von respekTiere, die sich so dahinter geklemmt haben, weil sie wussten, wie krank du warst und gelitten hast im Rudel, dich gar aufgeben wolltest, habe ich mein Herz und mein Heim dann wieder geöffnet und schließlich Ja gesagt.

Als ich dich am Flughafen im August 2011 in Bonn abholte, wurden vier Transportboxen durch die Glasschiebetür in die Empfangshalle von den Flugpaten herein geschoben. Man konnte von allen Vieren nur die Rückseite sehen und wusste nicht, wer sich wo drinnen befand. Aber irgend etwas sagte mir, in welcher du warst. Ich ging direkt darauf zu, und als ich dich so fix und fertig dort drinnen liegen sah, ging mein Herz auf, ich fing an zu weinen, setzte mich vor dich auf den Boden und streichelte dein Pfötchen, womit du dich am Gitter abstütztest. Du hattest nur ein Auge, man sah, wie sehr du um deine Gesundheit in der Lida mit der Leishmaniose gekämpft hattest, aber dein matter, aber hilfesuchender Blick traf mich mitten ins Herz, und ich wusste, dass ich ganz lange brauchen, um dein Vertrauen zu gewinnen.

Zu Hause angekommen, zeigte sich das ganze Ausmaß, von dem ich aber schon vorher erfuhr: Total traumatisiert, oberscheu. Du verstecktest dich, nachdem du endlich die Transportbox verließt, unter einem Schrank in der Küche. Und obwohl du so scheu warst, wolltest du doch bei mir und dem Rudel sein, wo du dich auch sofort in den Huskymix Chopper verliebtest. Ganz vorsichtig, eine Pfote nach der anderen, aber den Rückwärtsgang bereits eingelegt, kamst du immer ein Stückchen näher und suchtest Nähe.

Ich kam in den 12 Monaten nur ganz allmählich an dich und deine Seele heran. Ich erkannte, welch Leid du durchgemacht haben musstest. Wie deine Seele gelitten hast. Wie ein Panzer muss sich die Mauer um dich herum gelegt haben. Anfangs kratzte ich nur ein wenig daran, und eines Tages schien es, als wäre die Mauer nicht nur am bröckeln. Todesmutig wagtest du dich Dinge, die du dir unter deinen bisherigen Umständen niemals zugetraut hättest. Du suchtest Nähe. Aber immer im HInterköpfchen: „Ich muss die Flucht ergreifen.“

Ich kämpfte mit bedingungsloser Liebe und Geduld um deine Seele, um dich, meine süße Zaubermaus. Und ich freute mich über jeden kleinen Schritt, den du dich nach vorn wagtest. Für dich war jeder einzelne dieser Schritte wie ein Quantensprung, was für andere normal war. Einmal standest du direkt hinter mir inmitten der Hundegruppe, was du zuvor nie gewagt hättest. Ich drehte mich um und du hast aus tiefstem Herzen heraus gewedelt. Ich fing an zu weinen, weil es mich so berührt hatte. Es gibt so viele schöne Dinge, die es über dich zu berichten gibt. Dinge, die man bei anderen Vierbeinern als normal sehen würde.

Was du leider aus Angst nie ablegen konntest war, dass du das Grundstück nicht verlassen wolltest. Der Garten war dein sicheres Reich, die Wohnung deine große sichere Festung, in der man dir nichts anhaben konnte. Ich akzeptierte dich so wie du warst und drängte dich zu nichts.

Ich wusste ja, an welcher Krankheit du gelitten hast, wusste auch, dass sie nicht mehr im Anfangsstadium war. Aber man hofft doch darauf, dass sie niemals ausbrechen möge, dass die Lebensqualität noch einigermaßen gut ist. Aber das Schicksal wollte es anders. Nach etwas über einem Jahr brach die Krankheit in einem ganz heftigem Maße erneut aus, und wir verloren trotz gemeinsamen Kampf diesen und ich musste dich am 29.09.2012 über die Regenbogenbrücke gehen lassen.

Mein Herz blutet sehr, weil ich dir nicht mehr Zeit schenken konnte, wie du sie verdient hattest. Ich hätte dir so gerne noch mehr Liebe gegeben und Wärme. Aber das Schicksal wollte es anders. Andererseits erlebe ich auch, dass manch andere Mäuse es nicht einmal Wochen schaffen, die Liebe und Wärme in einem Endplatz genießen zu dürfen. Ich danke dem Team von respekTiere dafür, dass sie sich so sehr für sie eingesetzt haben. So durfte ich eine weiche, sensible, warmherzige Hundemaus kennenlernen, die sich ihr Vertrauen in Milimeterarbeit so erkämpften musste und es ihr so schwerfiel, Liebe vom Menschen anzunehmen. Kurz bevor sie starb, lag sie das erste Mal von sich selbst aus auf dem Bett neben mir und kuschelte sich ganz selbstbewußt (für ihre Verhältnisse ein Mega-Schritt) an mich heran… Auf diese Weise zeigte sie mir, sie war angekommen…

Leb wohl, meine allersüße Zaubermaus, grüß mir Polly, die dir vorangegangen ist und alle, die bei mir lebten, ganz herzlich von mir. Hinter dem Horizont werden wir uns alle eines Tages wiedersehen, und nichts kann und dann mehr trennen.

In tiefer Verbundenheit dein Frauchen Judith mit Bolle, Chopper und Marino